Mahatma Gandhi

Zitate

„Ich gebe dir einen Talisman. Wenn immer du Zweifel hast, oder wenn dein Ego zu sehr überhand nimmt, wende folgenden Test an: Erinnere dich an das Gesicht das ärmsten und schwächsten Menschen, dem du je begegnet bist. Dann frage dich, ob der Schritt, den du unternehmen willst, diesem Menschen nützt. Wird er damit etwas gewinnen? Wird er ihm die Kontrolle über Leben und Schicksal zurückgeben? Mit anderen Worten, wird er zur Selbstbestimmung der hungrigen und geistig verdurstenden Millionen Menschen führen? Dann wirst du erkennen, dass deine Zweifel und dein Ego wegschmelzen werden.“

„Gott erscheint dir nicht als Person. Sie erscheint dir in deinem Handeln.“

„Der Test für eine gute Staatsführung ist nicht die Zahl der Millionäre, die ein Land hat, sondern die Eliminierung des Hungers.“

„Be the change, you want to see in the world.”

 

Leben und Wirken

Gandhi wurde in Gujarat, als Sohn eines Politikers aus der Kaste von Händlern geboren. Seine Eltern standen dem Jainismus nahe, einer grossen indischen Religion. Deren Doktrin des Respekts gegenüber allen Lebewesen geht soweit, dass strikte Anhänger mit einem Besen vor sich hinwischen, um nicht auf Lebewesen zu treten, oder sie tragen einen Mundschutz, um keine Insekten einzuatmen. Die Theorie der Gewaltlosigkeit wurde sicher davon geprägt. Ebenfalls wichtig war für ihn der Begriff der Anekantavad, der Vielheit der Wirklichkeit.  “… sie hat mich gelehrt, einen Moslem von seinem eigenen Standpunkt aus zu betrachten, und einen Christen von dessen.” 

In der Schule hatte er Mühe. Mit 13 wurde er mit dem gleichaltrigen Mädchen Kasturba verheiratet. Mit 16 J. verliess Gandhi eines Nachts das Krankenbett seines Vaters und ging zu seiner schwangeren Ehefrau. Kurz darauf starb sein Vater. Gandhi hatte ein Leben lang Schuldgefühle, den Vater am Sterbebett verlassen zu haben. Dies beeinflusste wahrscheinlich seine ablehnende Haltung gegenüber der Sexualität.

Vier von fünf Gujeraten hassen Gandhi. Für sie ist er ein Feigling. Sie träumen von einem starken, aggressiven Hindu. Und die „Vielgestaltigkeit der Realität“ des Hinduismus, die Gandhi so geschätzt hat, ist für sie nichts als Schwäche.

 

England

Gandhi wollte, gegen den Willen seiner Eltern, nach London gehen um Jus zu studieren. Dort machte er verschiedene Phasen durch. Er fühlte sich unsicher und unterlegen. Er war von mächtigen Anwälten und anderen Persönlichkeiten umgeben, deren Fähigkeiten ihn sprachlos machten. Eine Zeitlang versuchte er das zu bekämpfen indem er teure Kleider kaufte. Aus schlechtem Gewissen gegenüber seinem Bruder, der sein Leben in England mitfinanzieren musste, schrieb er dann wieder jede kleinste Ausgabe auf. Lange war er auf der Suche nach fleischlosem Essen, bis er vom Vegetarismus erfuhr und vegetarische Restaurants kennen lernte. Essen beschäftigte ihn sein Leben lang, noch viele Jahre später sprach er in Reden über den Nachteil des Kaffeetrinkens.

Er lerne die britische Fairness schätzen, eine Idee, die er nie mehr verlor.

 

Südafrika

Nach dem Studium kehrte er nach Indien zurück und nahm eine Stelle bei einer indischen Firma an, die in Südafrika tätig war.

Durch sein Studium des Gita und der Bibel war er zur Überzeugung gekommen, dass man das Böse nur mit Liebe und Wahrheit und dem entschlossenen Willen, Ungerechtigkeit und Grausamkeit nicht hinzunehmen, bekämpfen kann. Seine wichtigste Waffe war der gewaltlose Widerstand, indem er Ungerechtigkeiten mit gesetzeswidrigem Verhalten bekämpfte und Strafen dafür auf sich nahm.

Durch die Lektüre von Tolstoj „Das Reich Gottes in euch“, in dem Tolstoj den Verzicht auf Gewalt fordert und innere Vollkommenheit, Wahrheit und Liebe predigt und Ruskin, kam er zu Einsichten über die menschliche Arbeitskraft und über die Notwendigkeit Rassismus und Diskriminierung mit gewaltlosem Widerstand zu bekämpfen.

In Südafrika erlebte er die Diskriminierung von Nicht-Weissen.

Im Burenkrieg und bei einem Zulu-Aufstand unterstützte er die Engländer im Sanitätscorps. Als er die Brutalität und Gleichgültigkeit von weissen Südafrikanern gegenüber den Farbigen mitbekam, fasste er folgende Entschlüsse: brahmacharya anzunehmen, d.h. ständige Enthaltsamkeit, ahimsa, Gewaltlosigkeit gegenüber allem Lebendigen und satyagraha, die Kraft aus der Wahrheit und Liebe

 

Indien

Gandhi wollte seine Ideen verbreiten und brauchte dazu einen ashram, wie er in Südafrika Phoenix und Tolstoj Farm hatte. Er entschied sich für ein Angebot von wohlhabenden Freunden in Ahmadabad.

Sein Kampf galt der Unabhängigkeit Indiens und der Abschaffung der Kasten, worin er eine Pestbeule des Hinduismus sah, und er wollte die Freundschaft zwischen Hindus und Moslems fördern.

Die Briten exportierten grosse Mengen Nahrungsmittel ungeachtet von Hungersnöten in Indien. Man hat errechnet, dass sie die Hälfte der indischen Staatseinkünfte ausser Land brachten, vor allem um den Lebensstandard in Grossbritannien zu verbessern. Die Briten setzten auch Gesetze durch, die den reichen indischen Landbesitzern zugute kamen und brachten diese so auf ihre Seite. Zudem spalteten sie Hinduisten und Moslems.

Mrs. Besant eine britische Theosophin sagte in einem Vortrag in London, dass der Preis für die Loyalität Indiens im 2. Weltkrieg, die Freiheit für Indien wäre. In Indien gründete sie in Benares das Central Hindu College, das 1916 zur Universität erhoben wurde

In Champaran führte Gandhi seine erste Kampagne durch. Indigobauern, die von den Landbesitzern durch Pachtzinsen ausgenützt wurden, und als die Indigonachfrage aufhörte, durch massive Steuererhöhungen, hatten sich erfolglos zu wehen versucht. Er brachte es fertig, dass die Gesetze änderten und ein Teil der unrechtmässig eingezogenen Gelder zurückbezahlt wurden. Damit hatte die grosse Satyagraha-Bewegung begonnen. Gandhi wurde weltbekannt.

Da die Briten Leiden und Hungersnöte in Indien, als Folge der Ausbeutung, ignorierten und tolerierten, schrieb Gandhi dem britischen Vizekönig, dass er die Achtung und Zuneigung zu einer Regierung nicht aufrechterhalten könne, die sich von einer Untat zur anderen begebe, und er schicke ihm zwei Orden zurück. Damit beendete er seinen früheren Respekt für die Briten und brach mit dem Glauben, dass er innerhalb des Systems arbeiten könne.

Er kämpfte vor allem für die ökonomische Unabhängigkeit und predigte die Heimarbeit mit dem Spinnrad, was nicht nur eine starke Symbolkraft hatte, sondern auch den Textilexport der Briten stark schwächte. Einmal besuchte er in England Arbeiterinnen, die dadurch arbeitslos geworden waren. Er sagte ihnen, dass er verstehe, dass dadurch ihre Situation schwierig geworden sei, dass es in Indien aber ums Verhungern ginge. Er erntete Verständnis und Sympathie.

Er erklärte den 26. Januar zum Unabhängigkeitstag und verkündete, dass er in einer Kampagne die Salzsteuergesetze übertreten wolle. Indien ist von Salzwasser umgeben, aber kein Inder durfte Salz gewinnen, sondern musste mit dem Kauf von besteuertem Salz die britischen Kolonialherren unterstützen. In einem Brief an den britischen Vizekönig bot er eine Lösung an und drohte ansonsten mit einer Kampagne. Als diese mit einem grossen Marsch stattfand, schaute die ganze Welt zu. Am 6. April 1930 ging das Bild von Gandhi, der am Strand von Dandi Salz aufhob um die Welt.

Gandhi wurde mehrere Male verhaftet und verbüsste Gefängnisstrafen, die er zum Lesen und zum Nachdenken nutzte. Er trat mehrere Male in Hungerstreik, um aus dem Gefängnis entlassen zu werden, aber auch wegen Gewaltausschreitungen die er mit dieser Massnahme beenden wollte. Seine tiefste Enttäuschung war am 3. Juni 1947, als der britische Premierminister den Plan zur Teilung Indiens verkündete. Moslems und Hindus stimmten ihm zu. Am 15. August wurde die Unabhängigkeit Indiens offiziell erklärt. Fünf Monate später wurde Gandhi von einem Hindu-Fanatiker ermordet.

Es kam zur grössten Völkerwanderung in der modernen Geschichte, 12 Millionen Menschen flohen in die eine oder andere Richtung, trotzdem hielt das Morden an, es starben eine halbe Million Inder. Gandhi begann einen Hungerstreit und konnte so das Gemetzel in Kalkutta innert vier Tagen beenden. Er forderte die Regierungen in Indien und Pakistan auf, für den Schutz ihrer Minderheiten zu sorgen. Ostpakistan trennte sich 1971 nach blutigen Kämpfen von Pakistan und proklamierte die unabhängige Republik Bangladesh

Gandhi hatte ein Ziel erreicht, die Unabhängigkeit Indiens. Weitere wichtige Ziele hatte er nicht erreicht: das friedliche Zusammenleben von Hinduisten und Moslems, die Aufhebung der Kasten und die Befreiung seines Volkes von Armut und Hunger.

Auch die ethisch-spirituelle Lebenshaltung als Bestandteil einer politischen und sozialen Befreiung, sein ehrgeizigstes Ziel, blieb unerfüllt, wie die Korruption auf allen Ebenen zeigt.

Zuerst nach der Befreiung von England waren Idealisten in der Regierung, aber spätestens seit Indira Gandhi wurde die Politik zum Machtgerangel.

 

Quelle: Gandhi, eine bebilderte Biographie von Gerald Roth, Bastei Lübbe, 1983