Fès

Bis heute ist Fès das intellektuelle Zentrum sowie das spirituelle Herz des Landes. Keine der Königsstädte präsentiert einen derart spektakulären Fundus an klassischen Sehenswürdigkeiten. Die Kairaouine, theologische Lehranstalt und zugleich westliches Zentrum des Islam, hat über Jahrhunderte hinweg auf die gesamte muslimische Zivilisation ausgestrahlt. Die Medina von Fès El Bali kann mit gutem Grund als Inbegriff der arabischen Stadt gelten.

Die Gründung der Stadt verliert sich im Mythos, nachweislich erfolgte sie durch Idris II. im Jahre 807. Die Siedler des frühen 9. Jh. stammten aus dem tunesischen Kairouan, die die Niederlassung Aduat El Kairouan gründeten, und aus Andalusien, die Aduat El Andalous hinterliessen. Die voneinander unabhängigen Siedlungen waren die Zentren des Idrissidenreiches. Um 860 wurde die Hochschule Kairaouine gegründet. Nach dem Zerfall des Idrissidenreiches war Fès lange Zeit zwischen Omajaden und Fatimiden umkämpft. In das Jahr 1067 fiel die Eroberung durch die Almoraviden, die die Stadtmauer zwischen den beiden Siedlungen einrissen und sie zu einer einzigen Stadt, nun Fès genannt, vereinigten.

In der Folgezeit wuchs die Stadt durch die andalusischen Zuwanderer stark an und stieg nach der Einnahme durch die Almohaden (1145) zu einem bedeutetenden Handelszentrum auf. Seine grösste Blütenzeit erlebte Fès unter den Meriniden, die es zur Hauptstadt ihres Reiches machten. In diese Epoche fiel die Anlage des neuen Stadtteils Fès El Djedid und zahlreicher prachtvoller Bauten, besonders der Medersen. Fès löste Córdoba als Zentrum des westlichen Islam ab. Im 13. und 14. Jh. soll Fès, das bis nach Europa für seinen Reichtum berühmt war, über 200‘000 Einwohner gezählt  und 85 Moscheen, 200 Fondouks (Karawansereien / Herbergen) und mehrere tausend Läden besessen haben. Die Hochschule wurde von 8‘000 Studenten besucht, kostenlose Speisehäuser versorgten die Armen.

ln der Zeit der Saadier, die Marrakesch zu ihrer Hauptstadt erhoben, verlor Fès an Bedeutung. Nach 1610 und dem Zerfall des Saadierreiches wurde es aber Hauptstadt des nördlichen Reichsteiles. Ab 1666 war Fès Residenz der Alaouiten und sollte es – mit Ausnahme der Regierungszeit von Moulay Ismail (1672-1727), der Meknes zur Hauptstadt seines Reiches machte – bis zum Jahr 1912 bleiben. lm 18. Jh. gab es wiederholt Aufstände der Fassi gegen den Sultan. 1799 brach eine katastrophale Pestepidemie aus.

Bis zum Beginn des 20. Jh. blieb Fès die grösste Stadt Marokkos. 1911 führte ein Aufstand gegen den Sultan zur Besetzung durch die Franzosen. Mit dem Aufstieg von Rabat zur Hauptstadt und von Casablanca zum Wirtschaftszentrum verlor Fès immer mehr an Bedeutung und verarmte allmählich. ln der Protektoratszeit gehörte die  Stadt zu den Zentren der Widerstandsbewegung gegen die Franzosen, immer wieder gab es blutige Unruhen und Besetzungen durch die Armee.

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