Unser kurzer Abstecher führt uns nach Valencia, der Stadt Calatravas.
Allgemein: Obwohl Valencia die drittgrösste Stadt Spaniens ist, gehört sie ausserhalb der Landesgrenzen zu den eher unbekannten Destinationen auf der Iberischen Halbinsel.
Valencia stand schon immer im Schatten der grossen Metropolen Madrid und Barcelona oder der spanischen Tourismushochburgen wie die Balearen und Kanarischen Inseln.
Ein Meilenstein bei der Neupositionierung als Tourismusdestination war sicherlich die Eröffnung der Ciudad de las Artes y las Ciencias im Jahre 1998, die mittlerweile in Spanien jedem Kind ein Begriff ist. Die «Stadt der Künste und Wissenschaften», vom selbstbewussten, aus Valencia stammenden Stararchitekten Santiago Calatrava entworfen und gebaut, löste ausserdem viele Impulse für die weitere Stadtentwicklung aus: Historische Bauten wurden Besuchern zugänglich gemacht, alte Stadtpaläste renoviert und neue U-Bahn-Linien gebaut.
Mit dem Bau der Ciudad de las Artes y las Ciencias wollte die Stadtregierung ein Zeichen für die Zukunft setzen. Ein Symbol sollte her, das für das moderne Valencia steht. Ganz dieser Maxime verpflichtet begann auch das neue Jahrtausend: Und dieses kam in Form des America’s Cup auf Valencia zu. Um 2007 Gastgeber der 32. Ausgabe der renommiertesten Segelregatta der Welt sein zu können, wurden – obwohl bereits Ebbe in der Stadtkasse herrschte – mehrere Hundert Millionen Euro in dieses Prestigeprojekt investiert. Der Hafen wurde umgestaltet, der Flughafen ausgebaut und breite Avenidas hin zum Meer geschaffen.
Nachdem dieser Segelevent dann im Sommer 2007 vorbei war, musste eine neue Herausforderung her. Die Landesregierung blieb nicht lange untätig. Und so startete bereits im August 2008 zum ersten Mal die Formel 1 zu einem Stadtkurs rund ums neue Hafenbecken. Doch die Freude am „Grossen Preis von Europa“ währte nur kurz, denn die internationale Finanzkrise hatte gerade auch in Valencia verheerende Auswirkungen. Jetzt rächte sich, dass die Regierung jahrelang über die eigenen Verhältnisse gelebt hatte. In der Stadtkasse klafften Milliardenlöcher. Zwar konnte 2010 noch der AVE Hochgeschwindigkeitszug, der Valencia mit Madrid in rund 100 Min verbindet, eingeweiht werden, andere Grossevents konnten nicht mehr finanziert, Infrastrukturen und Bauten nicht mehr unterhalten werden.
Sprache: Offiziell gibt es zwei Landessprachen, Kastilisch (allgemein als „Spanisch“ bekannt) und Valencianisch, eine dem Katalanischen ähnliche Sprache. Offizielle Dokumente sind immer in beiden Sprachen verfasst und öffentliche Gebäude zweisprachig bezeichnet.
Geschichte: Im Jahre 711 n. Chr. überquerten maurische Truppen die Meerenge von Gibraltar, um von dort aus die spanische Halbinsel zu erobern. Sieben Jahre später standen sie vor den Toren Valencias. So wurde aus dem im Jahre 138 v. Chr. von den Römern gegründete Valentina das arabische Balensiya. Dank ihres Wissens um die Wasserwirtschaft machten die Mauren aus den Feldern am Turia-Fluss eine blühende und fruchtbare Oase. Erst im Jahre 1238 eroberte Rey Don Jaime I (König Jakob I. von Aragón) die Stadt von den Arabern zurück und machte sie zur Hauptstadt des neuen Königreichs Valencia.
Unter der Herrschaft des Königreichs Aragonien entwickelte sich Valencia zu einer blühenden Hafen- und Handelsstadt. Aus dieser goldenen Periode stammen auch zahlreiche emblematische Bauten. Über die Jahrhunderte hat sich die Stadt laufend weiter zu einer modernen, aufgeschlossenen Metropole entwickelt.
Durch den Spanischen Bürgerkrieg geriet die damalige Republik ab 1936 ins Wanken. Valencia wurde zwischenzeitig sogar Hauptstadt. Erst als Madrid 1939 fiel, kapitulierte auch Valencia. Am 1. April 1939 verkündete General Franco seinen Sieg und Spanien wurde zur Militärdiktatur. Als Franco 1975 starb, wurde Juan Carlos de Bourbon zum König ernannt und gleichzeitig neues Staatsoberhaupt. Er öffnete seinem Land den Weg zur Demokratie.
Wie zu Zeit der Mauren vor über tausend Jahren versammeln sich jeden Donnerstag die acht Richter des Wassergerichts vor dem Aposteltor der Kathedrale um über die gerechte Verteilung des kostbaren Nass zu wachen.
Der Gerichtsdiener ruft ruft die Namen der acht Bewässerungskanäle auf und wenn ein Bauer oder Landbesitzer das Gefühl hat, er sei bei der Wasserzuteilung ungerecht behandelt worden, so kann er hier sein Klage vorbringen. Die Entscheide werden umgehend gefällt. Auch wenn diese nicht schriftlich festgehalten werden, sind die Anordnungen des Wassergerichtes von Valencia unanfechtbar, sogar das oberste Gericht in Madrid kann ein Urteil der acht Herren vor dem Aposteltor von Valencia nicht revidieren.
Ciudad de las Artes y las Ciencias oder “Die Kathedralen der Neuzeit”
Die Stadt der Künste und der Wissenschaften ist seit ihrer Eröffnung zu einem neuen Wahrzeichen Valencias geworden. Der aus Valencia stammende Architekt Santiago Calatrava hat einen weitläufigen Gebäude- und Freizeitkomplex geschaffen, dessen vollständige Realisierung über 10 Jahre dauerte.
Es entstand – nach und nach – am südöstlichen Ende des Túria-Flussparks die Ciudad de las Artes y Ciencias. Die Freude war gross, als man Calatrava für das Projekt verpflichten konnte. Der international renommierte Architekt ist in Valencia geboren und gross geworden. Unter vielem anderen stammt von ihm der Bahnhof Stadelhofen. In seiner Heimatstadt hat Calatrava sein umfassendstes Projekt realisieren können. Entstanden ist so eine einmalige Werkschau, die alle Facetten seines Architekturstils widerspiegelt und wie gewohnt stark von den organischen Formen der Natur inspiriert ist.
Reiseführer: Valencia, DUMONT direkt von Daniel Izquierdo Hänni, 2015